Winterreise
Auf meine malerische „Winterreise“ machte ich mich erst, als mir im Winter 2005/06 – er war kalt und schneereich, ein Ausnahmewinter inzwischen - klar wurde, dass es Winter dieser Art schon bald nicht mehr geben würde. Meine Erinnerungen an diese Winter mit Kälte, Schnee und Klareis wollte ich, bevor sie verloren gingen, retten. Außerdem ging in die Arbeiten die Beschäftigung mit Winterliteratur (Wilhelm Müllers Gedichte, Thomas Manns „Zauberberg“, Durs Grünbeins „Schnee“, Räto Hänny) ein. Ein Rätsel ist er und eine Metapher auf das Leben, der Winter. Angewiesen auf Schutz und Wärme scheint ihn nur zu überleben, wer den Rückzug in Häuser und Ställe schafft.
Andererseits „ist uns ein Ros´ entsprungen“, schlägt unter dem beinhart gefrorenen Boden ein glutheißes Pflanzenherz, stärker werdend und auf seine Stunde wartend. Alles Leben konzentriert und verdichtet sich, zieht sich zurück ins Haus, ins Ich, schnellt dann nach vorne, vollzieht den Quantensprung. Ein dialektischer Bezug von Absterben und Neubeginn also? Nur bedingt, denn chaotisch, ungerecht und tödlich schließlich trifft ein verspäteter Winter Vögel, die zu früh zurückkehren, „ungeachtet der Konstruktion ihrer Kehlen, ihrer winzigen Krallen, ihrer redlichen Knorpel.(...)“ (Wislawa Szymborska, Hundert Freuden, Frankfurt 1996, S.123)2 Dies zu den erzählerischen Aspekten meiner Arbeit. Mindestens ebenso stark jedoch ging es mir um malerisches Neuland: Für mich bestand dieses in der ganz speziellen zurückgenommenen, jedoch tief grundierten Farbigkeit und den dafür deutlicheren Strukturen und Formen Mich interessierte außerdem die Verbindung von Malerei und Zeichnung und die durch die Malmittel (fette Sennelier- Kreiden, schwarzer Farbstift) bedingte Dynamik des Strichs. Die so entstandenen Landschaften sind ausschließlich aus Erinnerungen entstanden. Davon war ich überzeugt: Werden Feld, Bäume, Wasser „an einem trüben Januartag von einer Kuppel aus schattenlosem Licht und langweiligem Grau überwölbt, so kenne ich keine Gewißheit, die größer sein könnte als diese: daß alles menschliche Tun nur höchst unvollkommener, geradezu lächerlich hilfloser Ausdruck eines verborgenen inneren Lebens von ungeahnter Tiefe ist, das an die Oberfläche drängt, ohne sie jemals auch nur im entferntesten erreichen zu können.“ (Pascal Mercier, Nachtzug nach Lissabon, München 2006, S.37).